Im Recruiting, vor allem in der Ansprache von Zielgruppen ist es immense wichtig die richtigen Kanäle, den passenden Content zu treffen und das Ganze am besten noch zur richtigen Zeit auszuspielen. Konvertieren Zielgruppen dann in den Recruiting-Funnel hinein, so muss sich dieser so persönlich und wertschätzend wie möglich anfühlen. Der Griff in die Werkzeugkiste zeigt, dass hierfür einige Ansätze zur Verfügung stehen, die wir dann auch einsetzen können: Candidate Centricity, Employee/People Experience, Moment of Truth etc.
Mit Blick auf das Marketing und eben in unserem Fall auf das HR-Marketing bzw. die Gestaltung von Kampagnen und Ansprachemodellen hat sich im Zuge der allseits bekannten Technologisierung einiges getan und es tun sich in diesem Zuge auch hier neue Möglichkeiten auf. Eine Möglichkeit ist die sogenannte Hyperpersonalisierung. Ob diese auch im Recruiting und HR-Marketing funktionieren kann werden wir uns nun einmal anschauen.
Hyperpersonalisierung – was ist das?
Hyperpersonalisierung bezeichnet die datengestützte, kontextbezogene Individualisierung von Content und das in Echtzeit. Dafür werden in Realtime eine Vielzahl strukturierter und unstrukturierter Datenquellen genutzt. Das ist auch der entscheidende Unterschied zwischen Hyperpersonalisierung zu und den klassischen Personalisierungsansätzen. Die klassischen Herangehensweisen nutzen meist statische Attribute wie Alter, Geschlecht oder basieren auf vergangenheitsbezogene Daten und Verläufe. Die Hyperpersonalisierung integriert dazu dann eben noch dynamische Daten wie Verhaltensmuster, Standort, Interaktionen über verschiedene Kanäle hinweg sowie externe Kontextdaten (z. B. das Wetter).
Personalisierung vs. Individualisierung
Im Recruiting und auch im HR-Marketing haben wir vor allem immer über Individualisierung gesprochen. Das Spannende dabei ist, dass es mit Blick auf die Personalisierung dann doch deutliche Unterschiede dabei gibt:
Individualisierung ist nutzergetrieben, d.h. Nutzer:innen nehmen bewusst Anpassungen vor – etwa durch das Setzen von Filtern, die Auswahl von Themen oder das Konfigurieren von Benachrichtigungen. Grundlage sind explizite Daten, also Angaben, die aktiv eingegeben werden. Die Steuerung liegt hier also bei den Nutzer:innen und die Anpassung erfolgt statisch und ohne situativen Kontext. Ein Beispiel im Recruiting: Kandidat:innen wählen selbst ihren bevorzugten Standort oder das Jobcluster auf einem Karriereportal aus.
Personalisierung dagegen ist systemgesteuert, heißt Inhalte und Angebote werden automatisch auf Basis von impliziten Daten (z. B. Nutzerverhalten, Gerätetyp, Tageszeit, bisherige Interaktionen) angepasst. Sie funktioniert dynamisch, kontextsensitiv und in der Hyperpersonalisierung dann eben in Echtzeit. So können beispielsweise passende Jobangebote oder personalisierte Inhalte im richtigen Moment ausgespielt werden.
Ansätze für Hyperpersonalisierung im Recruiting
So haben wir nun einen ganzen Blumenstrauß an Möglichkeiten zur Verfügung die eigentlich viel ermöglichen können (und sollten). Wenn wir aber nun den Fokus nur auf die gerade beschriebene Hyperpersonalisierung richten, dann können verschiedene Hebel in Bewegung gesetzt werden – ein paar Ideen folgend dazu:
Hyperpersonalisierte Stellenanzeigen. Die Hyperpersonalisierung kann die datengetriebene Ausspielung von Stellenanzeigen und die Ansprache auf Basis individueller Karrierezielen und Nutzerverhalten deutlich weiter vorantreiben wie bisher. Realisiert wird dies über die bekannte Logik von Programmatic-Advertising-Plattformen, die mit einer Customer-Data-Plattform (CDP) oder einem Data-Management-System verknüpft sind. Diese sammeln Informationen aus Jobportalen, Karrierenetzwerken und Web-Tracking-Tools. Über Middleware-Lösungen wie Segment oder mParticle werden die Daten an Ad-Server weitergeleitet, die in Echtzeit relevante Anzeigen ausspielen – abgestimmt auf Berufsfeld, Region oder Interaktionshistorie.
Dynamische Content Erstellung. Damit haben wir auch eine zweite Möglichkeit die innerhalb von Stellenanzeigen, JobAds oder anderen Formen von digitalen Angebotsformen greift und die Daten, die bereits vorhanden sind noch weiter veredelt. Wir wissen, dass sich nicht alle für das Gleiche interessieren, Flexibilität, Benefits oder Standortvorteile können unterschiedlich gewichtet werden. Über Regelwerke oder KI-Modelle (z. B. Clustering) können Kandidat:innen dementsprechend und in Echtzeit passende Angebotsmodelle vorgeschlagen werden – z. B. mehr Homeoffice für Remote Typen oder Standortzuschläge bei Pendlerprofilen (digitale Persona). Die Informationen stammen aus den oben genannten Systemen und werden z.B. über Middleware an das Karriereportal oder an Kommunikationstools übergeben.
Personalisierte Karriere-Landingpages.Karriereseiten haben längst keine statischen Inhalte mehr. Mit Personalisierungslösungen wie Dynamic Yield lassen sich Inhalte dynamisch je nach Nutzerprofil anpassen. Technisch wird dies durch den Einsatz eines Headless CMS in Verbindung mit einer PersonalisierungsEngine realisiert. Eine Middleware gleicht dabei externe Nutzerdaten ab (z. B. Herkunftsquelle oder Standort) und steuert die dynamische Content Ausspielung.
Individuelle Kommunikation entlang der Candidate Journey. E-Mails oder automatisierte Nachrichten sollten mehr als nur informieren – sie sollten gezielt aktivieren. Dies tun sie, wenn sie individuell relevant sind. Über Marketing-Automation-Tools wie HubSpot oder Salesforce Marketing Cloud, verbunden mit Bewerberdaten aus dem ATS können (problemlos) dynamisch personalisierte Inhalte erstellt werden. Mit der Einbindung von weiteren Tools wie z.B. Video-Personalisierung können dann visuelle Inhalte gezielt an individuelle Interessen und Karriereziele angepasst und ausgespielt werden.
Es lassen sich sicher noch etliche Beispiele aufzeigen, wo eine Hyperpersonalisierung Sinn und Nutzen stiftet. Bewusst habe ich auch viel technische Hinweise in die Beschreibungen mit aufgenommen, um aufzuzeigen, dass zum einen die Wege bzw. Orte an denen Hyperpersonalisierung eingesetzt werden, kann im Grunde allen klar ist – ein Problem schein wie immer die technische Komponente zu sein.
Wie gehen wir im Recruiting mit Hyperpersonalisierung um?
Das Hyperpersonalisierung mehr als Sinn macht, ist denke ich klar. PWC sagt in einer Blogserie zur Hyperpersonalisierung, dass es sogar für technisch fortgeschrittene Unternehmen schwer sein kann Konzepte dieser Art umzusetzen – und da sind wir denke ich direkt am erfolgskritischen Punkt.
Zum einen abrieten viele HR-/Recruiting Organisationen doch in sehr fragmentierten Systemlandschaften, in Teilen auch ohne zentrale Datenhalten. Excel ist das Core-System oder wird oft als Schattensystem neben dem ATS betrieben da so die „echten“ Daten besser gepflegt werden können. Zum anderen benötigt Hyperpersonalisierung recht tiefen und breiten Zugriff auf Echtzeitdaten. Heißt, um solche Konzepte umzusetzen braucht es aktuelle Daten wie z. B. Klicks, Session-Daten, Bewerbungsstatus, Interessen usw. Und uns ahnt es schon: einerseits haben wir sowas kaum und andererseits stecken diese Daten in internen und externen Silos fest, die sich nahezu nicht verbinden lassen. Auf Das Ganze können wir dann das Thema Datenschutz etc. noch packen.
Dennoch ist die Hyperpersonalisierung im Recruiting nicht von der Hand zu weisen – denn sie wird notwendig werden, da bin ich mir sicher. Die Gründe sind die, die wir seit Jahren diskutieren: alle Angebote dieser Welt werden schneller, passender und persönlicher – nur eben das Gallische Dorf Recruiting nicht. Somit kann (und muss vielleicht auch) einer der strategischen Needs die Überarbeitung und (hyper-) personalisierte Digitalisierung der „Delivery“-Recruitingprodukte sein.
Meine Dienstleistungen
Erfolgreiche Recruiting-Strategien entwickeln
Zukunftsfähige Recruiting-Organisationen gestalten
Dabei verfolge ich das Ziel, Employer Branding, HR-Marketing und Recruiting miteinander zu verzahnen und das Recruiting als strategischen Business Partner im Unternehmen zu etablieren.