Recruiting hat ja, wie wir wissen sehr viele Facetten. Mittlerweile so viele, dass man selbst als vermeintlicher Branchen-Kenner gar nicht mehr so ganz und umfassend hinterher kommt. Jedoch zeichnen sich bei all diesen Aspekten einige klare Strömungen oder vielmehr klare Hinweise ab, worauf es denn im Recruiting besonders ankommt. Das Eine sind sicherlich die Recruiting-Methoden mitsamt den gesamten Tools und Technologien. Das Andere rückt in letzter Zeit so finde ich immer mehr in den Fokus: das sind die Recruiting Strukturen und die Organisation von Recruiting.
Nur stellt sich dann hierzu immer wieder die Frage nach dem wie – wie bekommen wir unser Recruiting denn so organisiert, dass es für uns passt. Ein Blick zu Recruiting-Kolleginnen und Kollegen, die ähnliche Herausforderungen haben schadet daher nie. Es muss also ein Benchmark her. Dieser Benchmark liegt nun vor: die Wollmilchsau GmbH, die Deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP) und die HTWK Leipzig haben sich diesem Thema angenommen, 1200 Unternehmen zu ihren Recruiting-Strukturen befragt und nun die überaus spannenden Ergebnisse veröffentlicht.
Ich habe direkt zwei der Protagonisten der Studie einmal dazu befragt und freue mich das Prof. Peter Wald (HTWK Leipzig) und Jan Kirchner (GF Wollmilchsau GmbH) sich dafür Zeit genommen haben:
Hallo Peter, Hallo Jan – ich hoffe es geht euch so weit gut! Zum Start einmal kurz und knapp: Wieso jetzt? Wieso habt ihr euch diesem wichtigen Thema jetzt angenommen?
Wir haben sowohl aus dem Austausch mit Praktikern, als auch der wissenschaftlichen Perspektive festgestellt, dass es keine empirische Antwort auf die Frage gibt, wie eine erfolgreiche Recruiting-Organisation aufgestellt sein sollte. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, welche Rollen bei der Talent Acquisition, sprich Recruiter, Personalmarketer, Employer Brander und Active Sourcer, in welcher Kapazität benötigt werden, um die vom Business benötigten Hires zuverlässig und zeitgerecht einstellen zu können.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der vielfältigen Transformationsprozesse werden die Herausforderungen für Recruiting-Organisationen in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Da Organisationsentwicklung und insbesondere der Auf- und Ausbau von Rollen und Kapazitäten eher Jahre als Monate braucht, wollten wir die Benchmarks so rechtzeitig anbieten, dass sie vor dem massenhaften Ausscheiden der Baby-Boomer aus dem Arbeitsmarkt vorliegen. Denn viel Zeit für die Professionalisierung und die Schaffung von Kapazitäten bleibt nicht mehr.
Ein Blick in den vorangestellten Executive Summary verrät, dass 61% der Teilnehmenden bereits eine organisatorische Eigenständigkeit im Recruiting haben. Wie bewertet ihr das Ergebnis hinsichtlich der Aussage, dass Recruiting das Kerngeschäft von Unternehmen sei?
Gut 60 Prozent der teilnehmenden Unternehmen haben in Deutschland mehr als 500 Mitarbeiter und/oder stellen mindestens 50 Mitarbeiter im Jahr ein. Ohne hier direkt von einer Korrelation sprechen zu wollen, legen die Ergebnisse nahe, dass es ab dieser Größe bzw. dem damit verbundenen Hiring-Volumen ein spezialisiertes Recruiting braucht, um den Marktanforderungen gerecht werden zu können. Das die organisatorische Eigenständigkeit bei ebenso vielen Unternehmen bereits existiert, bietet zumindest eine gute Grundlage für die weitere Professionalisierung des Recruitings. Um das „Kerngeschäft Recruiting“ erfolgreich erfüllen zu können, braucht es neben der eigenständigen Organisation des Recruitings aber vor allem eine Ausdifferenzierung der Recruiting-Rollen und die Schaffung entsprechender Kapazitäten. Insbesondere hinsichtlich der Kapazitäten für Personalmarketing und Employer Branding sowie für Active Sourcing zeigt die Studie hier einen deutlichen Entwicklungsbedarf auf.
In den dargestellten Ergebnissen stellt ihr 3 unterschiedliche Organisationsformen vor: das 3-Säulen-Modell, das Personalreferentenmodell und Mischformen. Wenn wir die Aussage von Beginn heranziehen (61% haben eigene Recruiting Organisation), dann müsste auf Basis der vorliegenden Ergebnisse davon ausgegangen werden, dass vor allem im Bereich der Mischformen sehr viele individuelle Recruiting-Organisationen Anwendung finden. Ist das so?
Ja, das ist richtig. Rund vierzig Prozent der teilnehmenden Unternehmen arbeiten in einer Mischform. In der Praxis kennt das Recruiting also vielfältigere Gestaltungsformen, als die idealtypischen Organisationsmodelle suggerieren. Begonnen bei, theoretisch generalistischen, Personalreferenten, die praktisch auf Recruiting spezialisiert sind, über HR Business Partner die theoretisch durch spezialisierte Recruiter unterstützt werden sollten, die Recruiter-Rolle praktisch aber manchmal einfach mit übernehmen müssen, bis hin zu spezialisierten Recruiting-Abteilungen und -Teams neben denen HR-Generalisten trotzdem weiter Recruiting-Aufgaben übernehmen. Oft hängen diese organisationstheoretischen Widersprüche mit den praktisch gewachsenen Unternehmensstrukturen zusammen, die ja häufig auch nicht dem BWL-Lehrbuch entsprechen.
Wenn wir noch einen Blick auf die durchschnittliche Anzahl bereuter Stellen werfen, da ist im monatlichen Vergleich das Personalreferentenmodell mit 30,4 Stellen führend. Im Jahresdurchschnitt wird das 3-Säulen-Modell aber zur Nummer 1 mit 76,1 Stellen. Dazu 2 Fragen: (1) Lässt der monatliche hohe Durchschnitt, vor allem hinsichtlich des Personalreferentenmodell Aussagen über Qualität und Professionalisierung des Recruiting zu? (2) Muss nicht die Anzahl des Jahresschnitts im 3-Säulen-Modell höher sein, wenn von einer dezidierten Recruiting-Organisation ausgegangen werden kann.
Wird der Durchschnitt gleichzeitig betreuter Stellen mit dem Jahresschnitt verglichen, zeigt sich deutlich, dass das Personalreferentenmodell generalistisch ausgerichtet ist und sich meist nicht voll auf das Recruiting konzentrieren kann. So braucht dieser Organisationstyp einfach länger für die Besetzung, als die spezialisiertere 3-Säulen-Organisation und die daran angelehnten Mischformen. Wir sollten bei der Interpretation dieser Zahlen immer auch die Unternehmensgröße einbeziehen. Denn schon ab einer Größe von 2500 Mitarbeitern steigt die Zahl der jährlich betreuten Stellen auf ca. 100 an und hält diesen Wert bis hin zu Konzernen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern. Die Effizienz des 3-Säulen-Modells und der Mischformen wird also offensichtlich auch von der Unternehmensgröße und -Bekanntheit sowie von den Kapazitäten in Personalmarketing/Employer Branding und Active Sourcing bestimmt. Beides Hebel, die sich prinzipiell auch im Personalreferentenmodell anwenden lassen.
Und zum Schluss noch eine Frage mit Blick in die Zukunft: was denkt ihr braucht es noch, um Recruiting weiter organisatorisch zu professionalisieren? Braucht es ein eigenes Recruiting-Organisationsmodell?
Im Hinblick auf die große Zahl an Mischformen ist das sehr naheliegend. Dann könnte, abgekoppelt von übergeordneten Organisationsmodellen, über professionelles Recruiting und die dafür notwendigen Rollen gesprochen und dieses im Nachgang an das im Unternehmen vorherrschende Organisationsmodell angepasst werden. Denn der Erfolg des Recruitings hängt in der Praxis entscheidend von einer professionellen Differenzierung der Rollen und den damit verbundenen Kapazitäten ab. Hier sollten Unternehmen die nun vorliegenden Zahlen nutzen, um sich ein neues Zielbild für die Entwicklung der Recruiting-Organisation zu erarbeiten und interne Stakeholder darauf zu committen.
Besten Dank euch beiden für eure Insights und eure Zeit!
Wer von euch die ganze Studie haben möchte, der findet sie hier.
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